01_Matrikenbücher_allg.jpg

„Altmatriken“ der IKG Wien

Die von den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften geführten Personenstandsbücher werden „Altmatriken" genannt. Die Matrikenführung ist seit der Verordnung über die Einführung des deutschen Personenstandsgesetzes in Österreich vom 2. Juli 1938 sowie deren Bekanntmachung am 28. Juli 1938 in staatlicher Hand.

 

Die Matrikenreferate sind jedoch per Gesetz verpflichtet, auf Basis der Einträge Urkunden für amtliche und private Zwecke auszustellen sowie die Altmatriken betreffend Personenstandsveränderungen (u.a. Eintrag der Todesmeldungen in die Geburts- oder Heiratsbücher) zu führen. Die MatrikenführerInnen sind u.a. auch für die Erhaltung der „Altmatriken“ zuständig.

 

 

 

Im Bestand der Matriken der IKG Wien, der im Jänner 2014 der Abteilung Archiv der IKG Wien eingegliedert wurde, befinden sich die bis heute erhaltenen Geburts-, Trauungs- und Sterbebücher der jüdischen Bevölkerung in Wien, Steiermark, Kärnten und Krain sowie einiger ehemaliger Kultusgemeinden in Niederösterreich und Burgenland (Zeitraum: ca. 1784 bis 1938).

06_Geburtsbücher_klein.jpg
10_Trauungsbücher_klein.jpg
17_Sterbebücher_klein.jpg

Geschichte Matriken IKG Wien

Die staatliche Personenstandsverzeichnung wurde in Österreich durch das kaiserliche Patent vom 20. Februar 1784 mit genauen Vorschriften über die Führung von Matriken (Geburts-, Trauungs- und Sterbebücher) durch die einzelnen Religionsgemeinschaften eingeführt. Bereits in der Einleitung zu diesem Patent betont Kaiser Josef II. die Wichtigkeit der Matriken für staatliche Zwecke (Rechtsprechung, Bevölkerungsstatistik, u.v.m.). Für die Jüdische Gemeinde bedeutete dies, dass der Religionslehrer oder der Oberrabbiner Matrikenbücher für die betreffende Gemeinde und ihre Umgebung zu führen hatte.

In Wien war die Führung der Matriken zunächst dem Magistrat als Ortsobrigkeit, seit 1790 dem „Judenkommissär“ (Judenamt), seit 1797 der Polizei-Oberdirektion übertragen. Seit 1826, dem Jahr der Fertigstellung des Stadttempels, führte der damals nach Wien berufene erste Religionslehrer und Prediger Isaak Noah Mannheimer selbständige Matriken, die er jährlich per Dekret vom 1. Juni 1831 mit denen der Polizeidirektion vergleichen und ergänzen musste. Die polizeilich geführten Matriken wurden 1848 eingestellt.  Seitdem sind nur die bei der Jüdischen Gemeinde geführten Matriken sowie deren Zweitschriften vorhanden.

Die Eintragungen der Matriken durften nicht auf losen Blättern erfolgen, sondern in gebundenen paginierten Büchern. Sie mussten leserlich geschrieben werden und Abkürzungen waren zu vermeiden. Per Hofdekret vom 2. März 1890 wurde verfügt, dass die Matrikenbücher „womöglich in feuerfesten Kassen aufzubewahren“ sind. Bei Feuergefahr waren vor allem die Matriken in Sicherheit zu bringen. 

Per Gesetz vom 10. Juli 1868 betreffend die Beweiskraft der Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken der Israeliten (RGBl. Nr. 12/1869) wurde die eigenständige Matrikenführung staatlich anerkannt. Ab diesem Zeitpunkt führten staatlich beeidete Matrikenführer die Personenstandsbücher.

Vier Mal im Jahr musste der Matrikenführer Listen und Auskünfte über die Geborenen, Gestorbenen, Legitimierten und Getrauten seines Matrikensprengels zum Zwecke der Erstellung von Statistiken (u.a. auch zum Zweck der Volkszählung nach dem Gesetz vom 29. März 1869, RGBl. Nr. 67) ) an die jeweilige zuständige politische Behörde einsenden.

Auch die in den Wiener Vororten errichteten Jüdischen Gemeinden Fünfhaus, Ottakring und Währing führten bis zu ihrer 1892 erfolgten Vereinigung mit der Wiener Kultusgemeinde eigene Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken. Mit dem Gesetz vom 21. März 1890 betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft (RGBl 57/1890) wurde eine flächendeckende Organisation verfügt. Die Ministerial-Verordnung vom 4. Dezember 1891 legte danach die Sprengel von 13 niederösterreichischen Kultusgemeinden fest. Das ab 1892 vergrößerte Wiener Stadtgebiet wurde zu einer Kultusgemeinde Wien zusammengefasst. Seit 1892 hatten somit die Vorortegemeinden nur mehr das Recht, Trauungen vorzunehmen. Die Immatrikulierung der Geburts- und Sterbefälle war ausschließlich der Stadtzentrale (IKG Wien, im ersten Wiener Gemeindebezirk, Seitenstettengasse 4) vorbehalten. Die Trauungsbücher mussten per Ende des Jahres der Stadtzentrale zwecks Vereinigung des gesamten Matrikenbestandes übermittelt werden. Eine Ausnahme bildete die Kultusgemeinde Floridsdorf, die wegen der großen Entfernung Geburten, Trauungen und Sterbefälle in eigenständige Matrikenbücher eintrug und selbst verwahrte.

Im Zuge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten änderte sich die rechtliche Lage. Die Verordnung über die Einführung des deutschen Personenstandsgesetzes in Österreich vom 2. Juli 1938 sowie deren Bekanntmachung am 28. Juli 1938 führten die allgemeine Bestimmung ein, dass die Beurkundung des Personenstandes sowie die Führung der Matrikenbücher in die staatliche Kompetenz der Standesämter überzugehen hatten. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

18_Matriken_AW_1236_Volkszählung_1900.jpg
19_Matriken_leiweise_Sterbebücher_AW_1707_4_S_11.jpg

Geburtsbücher (1784 – 1938)

Geburtsbücher (1784 – 1938)  im Bestand der Matriken

Auf Verfügung des Magistrats der Stadt Wien sowie auf Erlass der niederösterreichischen Statthalterei waren Hebammen ab dem Ende des 19. Jahrhunderts verpflichtet, innerhalb von acht Tagen nach der Geburt eines Kindes die Geburten bei den mit der Führung der Geburtsbücher betrauten Organen zur Anzeige zur bringen. Der Matrikenführer musste jeden Geburtsfall (auch Totgeburten), der sich in seinem Matrikensprengel ereignete, auf Basis der Geburtsanzeigen in das Geburtsbuch unter einer eigenen Reihenzahl eintragen. Die Reihenzahlen der Geburtsanzeigen sind ident mit jenen der Geburtsbücher.

Die einzelnen Rubriken eines Geburtsbuches der IKG Wien sind – mit wenigen Abweichungen – wie folgt: 

  • Reihenzahl
  • Tag, Monat und Jahr der Geburt
  • Name der Geborenen
  • Geschlecht (männlich, weiblich)
  • Eigenschaft (ehelich, unehelich)
  • Vor- und Zuname des Vaters, Geburtsort und Beruf
  • Vor- und Zuname der Mutter sowie Geburtsort
  • Ort der Geburt und Wohnung der Eltern
  • Name der Hebamme, Geburtshelfers und deren Wohnung
  • Tag der Beschneidung und Namenserteilung
  • Hebräischer oder liturgischer Name des Kindes
  • Name des Beschneidungs-Operateurs
  • Unterschrift der Zeugen
  • Anmerkung

Geburtsanzeigen (1893 - 1937) im Bestand Archiv

Der 147 Kartons umfassende Teilbestand ist nicht zur Gänze erhalten.
Die Geburts-Anzeigen beinhalten neben dem Namen, Geschlecht, Geburtsdatum und Geburtsort des Kindes auch den Namen der Eltern samt Adresse, Geburts- und Trauungsdatum. Ebenso angegeben sind der Name und die Adresse der Hebamme.
Analog zu den Geburtsbüchern finden sich in einigen Jahrgängen Angaben zum hebräischen Name des Kindes. Zusätzlich ist u. a. der Name des vorletzten Kindes festgehalten. Dieser ist neben den Geburts- und Trauungsdaten der Eltern im Falle familienbezogener Recherchen von besonderer Relevanz.
In einigen Fällen liegen den Geburts-Anzeigen ergänzende Dokumente (bspw. eine Beschneidungs-Anzeige) bei.
Bis in die 1920er fanden Geburten in erster Linie im Haus der Hebamme oder am Wohnort der Eltern statt, danach verstärkt auch in diversen Kliniken und Geburtsstationen.

02_Geburtsbuch_klein.jpg
03_Beschneidungsanzeige_MK_49_orig.jpg
04_Geburtsanzeige_MK_50_orig.jpg
05_Geburtsanzeige_MK_57_orig.jpg

Trauungsbücher

Trauungsbücher (1785 – 1938) im Bestand der Matriken

Bis 1938 war es die Pflicht des Matrikenführers, bei Anmeldungen von Eheschließungen mit größter Genauigkeit die vorgelegten zur Trauung erforderlichen Dokumente zu prüfen und etwaige Ehehindernisse auszuschließen. Nach erfolgter dreimaliger Ankündigung der Trauung wurde diese von einem Rabbiner oder Religionslehrer in Gegenwart von zwei Zeugen vollzogen. Die Eheschließung musste vom Rabbiner oder Religionslehrer in das Trauungsbuch genau eingetragen werden. Jene, welche die Trauungsbücher nicht nach Vorschrift führten, wurden für bis zu drei Jahre des Amtes verwiesen und es erwartete sie eine Geld- oder (bis 1867) eine Leibesstrafe.

Die einzelnen Rubriken eines Trauungsbuches der IKG Wien sind – mit wenigen Abweichungen – wie folgt:

  • Reihenzahl
  • Trauungsdatum
  • Trauungsort
  • Angabe der vorgelegten Zeugnisse und Dokumente
  • Angaben zum Bräutigam wie Nachname, Vorname, Geburtsort, Alter, Geburtsdatum, Familienstand (ledig, verwitwet, geschieden)
  • Angaben zu den Eltern des Bräutigams wie Name, Beruf, Wohnort, Mädchenname der Mutter
  • Angaben zur Braut wie Nachname, Vorname, Geburtsort, Alter, Geburtsdatum, Familienstand (ledig, verwitwet, geschieden)
  • Angaben zu den Eltern der Braut wie Name, Beruf, Wohnort, Mädchenname der Mutter
  • Unterschriften des Brautpaares, der Trauzeugen und des Rabbiners
  • Anmerkungen

 

Eheaufgebotsbücher (1870 – 1937) im Bestand Archiv

Nachdem sich der Rabbiner durch Befragung und Überprüfung der Dokumente überzeugt hatte, dass dem Abschluss einer Ehe keine Hindernisse im Weg standen, wurden die Personaldaten der Brautleute in die Aufgebotsbücher eingetragen. Diese sind mit Ausnahme der Jahre von 1932 bis 1935 bis heute erhalten.

Der 37 Bände umfassende Bestand enthält – mit wenigen Abweichungen – folgende Angaben:

  • Reihenzahl
  • Angaben zum Bräutigam wie Name, Vorname, Beruf, Adresse, Familienstand (ledig, geschieden, verwitwet)
  • Angaben zur Braut wie Nachnname, Vorname, Beruf, Adresse, Familienstand (ledig, geschieden, verwitwet)
  • allfällige Verkürzung des Aufgebotstermins
  • Ort, Art und Zeit der Aufgebotsvornahme
  • Anmerkungen
08_Eheaufgebotsbuch_1895-1902_A_VIE_IKG_Wien_I_BUCH_MA_Eheaufgebotsbuch_370.jpg
07_Trauungsbuch_klein.jpg

Sterbebücher

Sterbebücher (1784 – 1938) im Bestand Matriken

Der Matrikenführer hatte jeden Sterbefall in das Sterbebuch unter Anführung einer Reihenzahl einzutragen. Die Daten entnahm er den Todesfallmeldungen (Immatrikulierungsanweisungen), die ihm von den Totenbeschreibämtern der Gemeindebehörden übermittelt wurden. Bei verschollenen oder vermissten Personen musste erst die rechtliche Todeserklärung sowie der Auftrag der Landesbehörde zur Eintragung abgewartet werden.

Die einzelnen Rubriken eines Sterbebuches der IKG Wien sind – mit wenigen Abweichungen – wie folgt:

  • Reihenzahl
  • Sterbedatum (manchmal auch hebräisches Sterbedatum) und Beerdigungsdatum
  • Angaben zum Verstorbenen wie Nachname und Vorname, Beruf, Herkunfts-/Geburtsort und/oder Zuständigkeitsort
  • Geschlecht
  • Familienstand
  • Alter (teilweise mit Geburtsdaten)
  • Sterbeadresse / Wohnadresse
  • Ort der Beerdigung
  • Sterbeursache
  • Anmerkungen

 

Todesfallmeldungen (April 1920 – Ende Mai 1938) im Bestand Archiv

Der Teilbestand der Todesfallmeldungen besteht aus jenen Immatrikulierungsanweisungen, die von diversen Ämtern des Wiener Magistrats an das Matrikenamt der IKG Wien übermittelt wurden. Diese Meldungen waren Grundlage für die Verzeichnung der Sterbefälle in den Matrikenbüchern. Die 24 Kartons umfassenden Archivalien sind nicht vollständig erhalten, bspw. fehlt das Jahr 1936 zur Gänze.

Die Meldungen beinhalten u.a. die Namen und Geburtsdaten der Verstorbenen, deren letzte Wohnadresse, Sterbedatum, Todeszeitpunkt, Sterbeort und Todesursache. Des Weiteren sind deren Beruf, Religionsbekenntnis, Familienstand und Trauungsdatum (ab 1923 auch der Name des Leichenbeschauers sowie das Datum der Totenbeschau) angegeben. Nicht immer, so im Falle ertrunkener Personen, konnten die Verstorbenen identifiziert werden.

Bis zur Eröffnung des Wiener Krematoriums im Dezember 1922 wurden im Falle von Einäscherungen die Leichen nach Reichenberg (Liberec, Nordböhmen) überstellt und deren Asche anschließend nach Wien rücküberführt. Danach erfolgten die Einäscherungen in Wien.

Nach dem so genannten „Anschluss“ im März 1938, als die NS-Behörden ihre Verwaltungsstrukturen der IKG Wien aufzwangen, ist eine Zäsur im bisherigen Ablauf erkennbar. Vor allem während der fast zweimonatigen Schließung der IKG Wien (März bis Anfang Mai 1938) durch die NS-Behörden ist die bis dahin gegebene chronologische Ordnung der Dokumente durchbrochen.

Ab März 1938 ist darüber hinaus ein immenser Anstieg an Suiziden ersichtlich. Im Zeitraum von 12. März bis Ende Mai 1938 nahmen sich entsprechend den Einträgen in den Todesfallmeldungen mehr als 190 Menschen mosaischen Glaubens das Leben.

0_Sterbebuch_Gesamt_1898_klein.jpg
12_Todesfallmeldung_MK_9_orig.jpg
13_Todesfallmeldung_MK_10_orig.jpg
Todesfallmeldung_MK_16_orig_klein_100-Jahre.jpg
14_Suizid_MK_2_orig.jpg
15_Suizid_MK_3_orig.jpg
16_Suizid_MK_4_orig.jpg
11_Sterbebuch_klein.jpg
  1. So verwenden sie die Zeitleiste

    Die Punkte auf der Zeitleiste stellen historisch wichtige Ereignisse des Archivs der Kultusgemeinde Wien dar und geben Ihnen einen Überblick über die zeitliche Einordnung des unten dargestellten Exponats. Durch den Klick auf einen der Punkte erhalten Sie mehr Informationen.

  2. 2. Jänner 1782

    Toleranzpatent Josephs II. .

    Das Toleranzpatent für die Juden in Wien und in Niederösterreich ermöglichte einzelnen jüdischen Familien unter Abgabe eines Zinses, sich in Wien anzusiedeln, bestimmten Gewerben nachzugehen und ihren Glauben im Privaten auszuüben sowie ihren Kindern Religionsunterricht erteilen zu lassen.

  3. Begründung der Gemeindebibliothek.

    Der Buchdrucker Anton Schmid, der eine Lizenz zum Drucken hebräischer Werke hatte, welche durch die Zensur streng begutachtet wurden, überließ den Wiener Juden aus Dankbarkeit für zahlreiche Aufträge 133 Drucke. Diese bildeten den Grundstock der bis heute bestehenden Gemeindebibliothek.

    1814 bis 1815

    Wiener Kongress.

    Durch den Einfluss des Code Civil kamen die Juden in Europa der Gleichstellung näher. Bei der Reorganisation waren die Juden im Habsburgerreich dem Kaiser gegenüber loyal, sie hofften auf weitere Fortschritte. Jedoch wurden mit dem Scheitern der Demokratisierung die Zugeständnisse eingeschränkt.

  4. 30. Juni 1816

    Gründung des Wiener Jüdischen Archivs .

    Aufgrund wiederholter Unstimmigkeiten betreffend die Gültigkeit von Erlässen, welche die Rechte und Pflichten der ortsansässigen Juden regelten, beschlossen am 30. Juni 1816 die Vertreter der Wiener Judenschaft, ihre Aktenstücke durch einen Aktuar zu sammeln und aufzubewahren.

  5. 12. Dezember 1825

    Grundsteinlegung des Wiener Stadttempels.

    Die Grundsteinlegung des Wiener Stadttempels am 12. Dezember 1825 erfolgte durch Rabbiner Isak Noa Mannheimer. Die Synagoge wurde nach den Plänen von Josef Kornhäusel errichtet und den damaligen Bauvorschriften folgend, von außen nicht sichtbar in ein Wohnhaus integriert.

    Einführung des Wiener Ritus .

    Mannheimer und Sulzer waren mit Krisen zwischen Orthodoxie und Reformern konfrontiert. Die Spaltung der Gemeinde konnte durch eine Gottesdienstordnung, die hebräische Gebete, deutsche Predigten sowie den Verzicht auf die beliebte Orgel, aber die Einführung eines Chors vorsah, verhindert werden.

  6. 9. April 1826

    Einweihung des Wiener Stadttempels.

    Mit der Errichtung des Stadttempels in der Seitenstettengasse im ersten Wiener Bezirk gelang es den Wiener Juden erstmals seit der Vertreibung 1670, wieder ein geistiges und religiöses Zentrum zu errichten. Als erster Rabbiner wirkte hier Isak Noa Mannheimer, als erster Kantor Salomon Sulzer.

  7. 31. Oktober 1827

    Erste Registratur-Verordnung.

    Unter dem Aktuar Josef Veith wurde eine Ausführungsverordnung für die Archiv-Registratur beschlossen, die beinhaltete, dass zu jeder Archivalie ein Regest erstellt werden solle. Außerdem wurde er angewiesen, für das bisher gesammelte Archivgut einen Schrank zu erwerben.

  8. Ludwig August Frankl wird Aktuar.

    Ab den 1840er Jahren verlieh Ludwig August Frankl von Hochwart der Registratur „Archivcharakter“ und verbrachte die Archivalien nach 1020 Wien, Czerningasse 4. Die Akten wurden nach Herkunft geordnet und katalogisiert. Dies betraf 22 Stücke von 1626 bis 1805 und rund 10.000 aus der Zeit ab 1806.

  9. Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien .

    In Folge der bürgerlichen Revolution 1848 kam es 1849 zu einer Begegnung mit dem Kaiser, in der die Gemeindegründung beschlossen wurde. 1852 wurden ihre provisorischen Statuten genehmigt. Damit gewann die Institution ihre Autonomie zur Regelung ihrer politischen Angelegenheiten und in Kultusfragen.

  10. 1857 bis 1910

    Hungersnöte in Galizien.

    Aufgrund schwerer Hungersnöte wanderten große Teile der Bevölkerung Galiziens aus. Viele galizische Juden zogen nach Wien. Wegen verschiedener ritueller Traditionen führte dies einerseits zu Spannungen in der Gemeinde, andererseits zu einer verstärkten internen kulturellen Auseinandersetzung.

  11. 21. Dezember 1867

    Staatsgrundgesetz (RGBl. 142/1867) .

    Das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ verlieh den Juden erstmals das Recht, ihren Aufenthaltsort im Habsburgerreich frei zu wählen, die ungehinderte Religionsausübung und sorgte für gesetzliche Gleichstellung.

  12. 10. Juli 1868

    Eigenständige Matrikenführung der IKG Wien.

    Per Gesetz betreffend die Beweiskraft der Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken der Israeliten (RGBl. Nr. 12/1869) wurde die eigenständige Matrikenführung staatlich anerkannt. Ab diesem Zeitpunkt führten staatlich beeidete Matrikenführer die Personenstandsbücher. Diese werden bis heute fortgeführt.

  13. Kultusstreit zwischen Orthodoxen und Liberalen in der IKG Wien.

    Nach Annahme einer Reform des Kultus durch liberal fortschrittliche Kräfte unter der Führung Ignaz Kurandas kam es zum Kultusstreit. Die Orthodoxen unter der Führung Rabbiners Salomon Spitzer wollten aus der Gemeinde ausscheiden. Durch Kompromisse konnte die Spaltung der Gemeinde verhindert werden.

  14. 1881 bis 1906

    Pogrome in Russland.

    In Russland fanden verheerende Pogrome an der jüdischen Bevölkerung statt. Die IKG Wien beteiligte sich an Hilfsaktionen für die Opfer und Flüchtigen sowie an Protestaktionen gegen die von den russischen Geheimdiensten gesteuerten Gewalttaten.

  15. 21. März 1890

    Israelitengesetz.

    Mit dem „Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft“ wurde ein Gesetz geschaffen, welches das Verhältnis der verschiedenen, nach geographischen Gebieten eingeteilten Kultusgemeinden zum Staat auf eine einheitliche Rechtsgrundlage stellte.

  16. 15. Oktober 1893

    Eröffnung der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt.

    Nach 15-jähriger Vorbereitung wurde die Israelitisch-Theologische Lehranstalt Wien nach Vorbild des Jüdisch-Theologischen Seminars Breslau eröffnet. Eine wissenschaftliche Rabbiner- und Religionslehrerausbildung sollte etabliert werden. Ziel war die Qualitätssicherung des Religionsunterrichts.

  17. 1. November 1895

    Eröffnung des ersten Jüdischen Museums Wien.

    1895 wurde in Wien das erste Jüdische Museum gegründet. 

  18. 1900er

    Siegmund Husserl .

    Siegmund Husserl führte erstmalig eine wissenschaftliche Archivverwaltung mit parallel geführter Registratur ein und entwickelte weitere Pläne für die Entwicklung und Vernetzung des Archivs. Seine Idee eines Zentralarchivs der österreichischen jüdischen Kultusgemeinden wurde nicht verwirklicht.

  19. 1914 bis 1918

    Das Archiv im Ersten Weltkrieg.

    Unter Archivar Samuel Pinkas sollten eine Archivordnung und eine Kanzleiregistratur erstellt werden. Durch den Ersten Weltkrieg konnten diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Beschreibungen des Historikers Alfred F. Přibram zufolge herrschten zu Ende des Krieges im Archiv chaotische Zustände.

  20. Reorganisation des Archivs.

    Unter der Leitung des Archivars Saul Chajes erfolgte eine Umstrukturierung des Archivs. Er beschloss eine chronologische Ordnung der Akten bis 1860, ein Einteilung nach Jahrgängen und Exhibitenzahlen für Akten bis 1926 und parallel dazu die Katalogisierung nach Schlagworten, Orts- und Personennamen.

  21. 12. März 1938

    „Anschluss“ .

    Der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistisch regierte Deutschland, eine von weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung begrüßte Annexion, führte zur Aufgabe der staatlichen Souveränität und ebnete den Weg zur Verfolgung und Ermordung auch der österreichischen Juden.

    Anfang Mai 1938

    Wiedereröffnung der IKG .

    Nach dem „Anschluss“ wurde die IKG zunächst geschlossen und Anfang Mai wiedereröffnet. Sie musste unter Kontrolle der NS-Verwaltung und der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ zwangsweise die Vertreibung der Gemeindemitglieder und ab 1941 die Deportation organisieren.

    Juli 1938

    NS-Kontrolle des Archivbetriebs.

    Die erzwungene Umstrukturierung der IKG verursachte eine Flut von Akten, die im Archiv nicht mehr methodisch abgelegt werden konnten. Die Gestapo beschlagnahmte zudem einen Teil der Archivalien und brachte ihn nach Berlin ins Reichssicherheitshauptamt zur rassenideologischen Auswertung.

    9. November 1938

    Novemberpogrome.

    In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden alle Wiener Synagogen und Bethäuser außer dem Stadttempel zerstört, da er sich in einem Wohnhaus befindet. Geschäfte wurden geplündert, über 6.000 Juden wurden verhaftet und viele ins Konzentrationslager Dachau verschleppt

  22. 1. September 1939 bis 8. Mai 1945

    Archiv im Zweiten Weltkrieg.

    Mit dem deutschen Angriff auf Polen begann der Zweite Weltkrieg. Da 1943 Bombenangriffe auf Berlin zunahmen, bargen die NS-Behörden die konfiszierten jüdischen Wiener Archivalien in Schlesien. Von dort verbrachte die Rote Armee 1945 sie als „Beuteakten“ nach Moskau.

    20. Oktober 1939

    Deportation nach Nisko am San.

    Ende 1939 befahl Adolf Eichmann erste Deportationen österreichischer Juden ins neu besetzte Polen. In Nisko sollte ein sogenanntes Judenreservat entstehen, ein Konzentrationslager. Aufgrund unzulänglicher Verkehrswege und kriegsbedingt beanspruchter Transportmittel wurde das Lager 1940 aufgegeben.

  23. Herbst 1941

    Kennzeichnungspflicht und Ausreiseverbot für Juden .

    Am 19. September 1941 trat die sogenannte Judensternverordnung in Kraft, die Kennzeichnungspflicht für Juden. Ab dem 23. Oktober 1941 war die Ausreise aus deutschen Reichsgebieten für Juden verboten. Beide Maßnahmen dienten der Vorbereitung der endgültigen Vernichtung.

  24. Februar 1942

    Beginn der Deportationen - „Endlösung der Judenfrage“.

    Im September 1941 wurde mit der Ermordung noch nicht aus dem Einflussgebiet der Nationalsozialisten geflohener Juden begonnen. Den Deportationen und Tötungen waren Jahre der Verfolgung vorausgegangen. Ab Februar 1942 wurden die letzten in Wien verbliebenen Juden in Konzentrationslager verschleppt.

  25. 1. Dezember 1943

    Deportation Leopold Moses.

    Leopold Moses, der letzte Archivar des IKG-Archivs vor der Wiederbegründung 2009, wurde am 14. Oktober 1943 verhaftet und am 1. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Nach dem Ende seiner Tätigkeit war das Archiv der IKG Wien de facto nicht mehr existent.

  26. 8. Mai 1945

    Kapitulation NS-Deutschlands.

    Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Damit wurden Deutschland und die in der Zeit von 1938 bis 1945 besetzten Gebiete von nationalsozialistischer Herrschaft befreit und die rassistische Gesetzgebung aufgehoben.

    8. Mai 1945

    Wiederbegründung der IKG nach der NS-Zeit.

    1945 wurde die IKG wiederbegründet, die erste Wahl des Kultusvorstandes fand im April 1946 statt. Die IKG stand infolge vor der Herausforderung, nach Wien zurückkehrenden Juden, KZ-Überlebenden und Angehörigen der 65.000 im Holocaust Ermordeten zu helfen und Opferentschädigungen voranzutreiben.

  27. Leihweise Übergabe von Archivalien nach Jerusalem .

    Alex Bein, Direktor des Zionistischen Archivs, schlug 1949 vor, die nach 1945 in desolatem Zustand befindlichen Archivalien nach Jerusalem zu bringen. Die IKG stimmte 1951 zu. Die Central Archives (vormals General Archives) erhielten in vier Tranchen (zuletzt 1978) Archivmaterial als Leihgabe.

  28. 15. Mai 1955

    Staatsvertrag.

    Zehn Jahre nach Kriegsende und 17 Jahre nach dem „Anschluss“ erhielt Österreich seine Souveränität zurück. Damit wurde aber auch der Mythos des „ersten Opfers der Nationalsozialisten“ besiegelt, für viele Österreicher ein Anlass, die Teilverantwortung für die Judenverfolgung von sich zu weisen.

  29. 1970er

    Erstellung des „Hodik-Inventars“.

    Avshalom Hodik erstellte in den 1970er Jahren ein Findmittel der den Central Archives in Jerusalem (vormals General Archives) leihweise übergebenen Archivalien der Wiener Jüdischen Gemeinde sowie 1979 einen Abschlussbericht zum Archiv der IKG Wien. Dieses Findmittel umfasst 432 Seiten.

  30. Auffindung des Archivs im Keller des Stadttempels.

    1986 entdeckte der damalige Sicherheitsbeauftragte Ernst Meir Stern im Zuge von Renovierungsarbeiten im Keller unterhalb der Synagoge in der Seitenstettengasse „verschollenes“ Archivmaterial. Es wurde wegen der Umbauten außer Haus gebracht. Danach geriet es jedoch wieder in Vergessenheit.

  31. Wiederauffindung des Wiener Archivs in der Herklotzgasse.

    Auf Initiative des damaligen Präsidenten der IKG, Ariel Muzicant, und der Exekutivdirektorin des Präsidiums, Erika Jakubovits, wurde ab 1998 nach verbliebenen Archivalien gesucht. Im Jahr 2000 wurden umfassende Bestände (800 Kartons) in einem Haus der IKG in der Herklotzgasse in 1150 Wien gefunden.

  32. Gründung der Abteilung Archiv in der IKG Wien.

    Mehr als 70 Jahre nach der Auflösung durch die Nationalsozialisten wurde im Jänner 2009 das Archiv als eigene Abteilung der IKG Wien wieder begründet und damit dessen Bedeutung für die Kultusgemeinde unterstrichen.

  33. Archivsanierung.

    Die Räumlichkeiten des IKG-Archivs wurden einer grundlegenden Sanierung unterzogen. Entsprechend modernen Archivstandards wurden Brandschutz, Klimaanlage und Lüftung eingerichtet. Damit ist sichergestellt, dass das gesamte historische Aktenmaterial fachgerecht gelagert ist.

  34. 22. November 2016

    200-jähriges Jubiläum Archiv der IKG Wien.

    Zum 200-jährigen Jubiläum des Archivs fand erstmals ein Tag der offenen Tür statt. Die Zugänglichkeit zum Archiv für wissenschaftliche und private Forschung ist seither möglich. Eine Festschrift sowie eine Website wurden im Zuge der Feierlichkeiten vorgestellt.