
Titel: Umschlag der Deportationsliste betreffend den Transport Nr. 44 nach Minsk am 5.10.1942
Datum: 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DEP / 3 / 10
Der Begriff „Deportationen“ beschreibt hier die von den Nationalsozialisten organisierte zwangsweise Verbringung von Jüdinnen und Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager, Ghettos oder Zwangsarbeitsorte.
Die ersten Deportationen, von denen ausschließlich Juden betroffen waren, wurden in den Tages des Novemberpogroms 1938 von den Nationalsozialisten durchgeführt, tausende Personen wurden verhaftet, ca. 4000 in das Konzentrationslager Dachau und von dort teilweise in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Im Kontext der zu diesem Zeitpunkt vom NS-Regime forcierten Vertreibungspolitik (=“Auswanderung“) der jüdischen Bevölkerung wurden diese jüdischen Häftlinge gezwungen, ihr Eigentum abzutreten und zu versichern, nach Entlassung aus der Konzentrationslagerhaft schnellstmöglich das Deutsche Reich zu verlassen; die IKG Wien mussten die Gefangenen unterstützen. Ebenfalls in Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Zwangsumsiedlungen der Jüdinnen und Juden sind die Deportationen nach Nisko am San zu sehen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen planten SS-Männer um Adolf Eichmann die Errichtung eines „Judenreservates“ in den besetzten Gebieten Ostpolens. Unter Druck der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ mussten Mitarbeiter der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Personenlisten für erste Transporte nach Nisko zusammenstellen. Diese sollten die Infrastruktur für das geplante „Reservat“ schaffen.
Die nationalsozialistische Politik der Vertreibung schwenkte spätestens ab Frühjahr 1941 in eine Politik des Massenmordes um: Auf Veranlassung von NS-Behörden wurden erste Transporte in Ghettos in Polen zusammengestellt, die Deportation der gesamten jüdischen Bevölkerung, die zuvor in Sammelwohnungen ziehen musste, an Orte der Vernichtung hatte begonnen. Eine Besonderheit stellten die Transporte in das Ghetto Terezín/Theresienstadt dar, das propagandistisch als „Altersghetto“ bezeichnet wurde, tatsächlich aber u.a. als Transitort für weitere Transporte in Vernichtungslager diente. In der letzten Phase der NS-Herrschaft, in den Jahren 1944/45, wurden ungarische Jüdinnen und Juden auf das Gebiet der heutigen Republik Österreich deportiert und mussten in verschiedenen Betrieben Zwangsarbeit leisten; die jüdische Gemeinde musste Unterstützungsaufgaben bei der Betreuung der ZwangsarbeiterInnen übernehmen.
Die Israelitische Kultusgemeinde Wien bzw. der Ältestenrat der Juden in Wien wurde von der Gestapo und der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ gezwungen, personenbezogenen Dokumenten als Grundlage für die Deportationen zur Verfügung zu stellen. Auf Basis dieser Schriftstücke wurden die Deportationslisten erstellt, die zusammen mit anderen Akten zu den Transporten aus Wien heute im Archiv der IKG-Wien aufbewahrt werden. Jede Deportationsliste enthält personenbezogene Daten zu rund 1000 Menschen – Männern, Frauen und Kindern.
Ende Oktober 1942 wurde die IKG Wien geschlossen und durch den „Ältestenrat der Juden in Wien“ ersetzt.
Titel: Umschlag der Deportationsliste betreffend den Transport Nr. 44 nach Minsk am 5.10.1942
Datum: 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DEP / 3 / 10
Titel: Wochenberichte über die Abwicklung der Deportationen (Seite 1)
Datum: 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2756
Titel: Wochenberichte über die Abwicklung der Deportationen (Seite 2)
Datum: 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2756
Titel: Schreiben von IKG-Vorstand Robert Stricker, Mitglied des „Ältestenrates“ im Ghetto Theresienstadt, an Berthold Storfer (Seite 1)
Datum: 10. Juli 1943
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DIV / 1 / 3
Titel: Schreiben von IKG-Vorstand Robert Stricker, Mitglied des „Ältestenrates“ im Ghetto Theresienstadt, an Berthold Storfer (Seite 2)
Datum: 10. Juli 1943
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DIV / 1 / 3
Titel: Schreiben der IKG Wien an Frau W. im "Ghetto Litzmannstadt" (Łódź)
Datum: ca. 1941/1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2099
Deportationen im Rahmen des Novemberpogroms 1938
Das erste Jahr der NS-Herrschaft in Österreich war durch antisemitische Ausschreitungen geprägt, die in den als „Reichskristallnacht“ verharmlosend bezeichneten Pogromen in der Nacht vom 9. auf den 10. November kulminierten. Diese Ausschreitungen, bei denen Jüdinnen und Juden misshandelt und ermordet sowie Synagogen und Geschäfte jüdischer BesitzerInnen zerstört wurden, stellen den vorzeitigen Höhepunkt antijüdischer Gewalt dar. Im Rahmen der Novemberpogrome verhafteten Nationalsozialisten fast 4000 Juden und deportierten sie in das Konzentrationslager (KL) Dachau und von dort teilweise nach Buchenwald. Dies waren die ersten systematischen Deportationen österreichischer Juden in KLs.
Die deportierten Juden konnten aus der Lagerhaft entlassen werden, soweit sie schriftlich versicherten, das Reichsgebiet verlassen zu wollen und ihre Besitztümer dem Staat überschrieben. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien, insbesondere die Fürsorgeabteilung, standen in Kontakt mit manchen der deportierten Juden und versuchten sie, soweit dies möglich war, zu unterstützen.
Das Archiv der IKG Wien verfügt über diverse Korrespondenzen mit deportierten Juden, Namensliste von unterstützen Konzentrationslagerhäftlingen, Sterbeurkunden aus den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald sowie Erhebungsblättern, die im Rahmen der Aktion Gildemeester(siehe Hilfsorganisationen) angelegt wurden.
Deportationen im Jahr 1939: Das geplante „Judenreservat“ in Nisko am San
Im Jahr 1939, nach dem deutschen Überfall auf Polen und somit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, entwickelte insbesondere Adolf Eichmann den Plan, Jüdinnen und Juden in ein sogenanntes Judenreservat in die besetzten Gebiete zu deportierten.
Die IKG Wien wurde über die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ von diesem sogenannten Nisko-Plan in Kenntnis gesetzt. Sie wurde in weiterer Folge gezwungen, Listen von Personen vorzubereiten, die beim Aufbau des geplanten „Judenreservates“ mitwirken sollten. Es wurden auf der Grundlage der von der IKG unter Zwang bereitgestellten Namenslisten zwei Deportationszüge zusammengestellt, die am 20. Oktober 1939 (912 Personen) und 27. Oktober 1939 (672 Personen) von Wien nach Nisko fuhren.
Die Situation in Nisko am San war katastrophal: Die dorthin deportieren Juden mussten unter unmenschlichen Bedingungen die Grundlage des geplanten lagerähnlichen „Reservates“ aufbauen und Zwangsarbeit leisten. Viele der Deportierten wurden unter Todesdrohungen über die Demarkationslinie in die sowjetisch-besetzte Zone Polens getrieben. Ein Teil der nach Nisko verschleppten Wiener Juden wurde im April 1939 wieder nach Wien zurückgeschickt.
Mehrere Exemplare der beiden Deportationslisten der sogenannten Nisko-Transporte werden im Archiv der IKG Wien aufbewahrt. Zusätzlich befinden sich im Archiv Listen von Personen, die nach dem Abbruch des Nisko-Plans nach Wien zurückgeschickt wurden sowie Korrespondenzen und Aktennotizen von Mitarbeitern der Kultusgemeinde betreffend die Deportationen nach Nisko.
Titel: Fragebogen von Herrn H., Häftling im Konzentrationslager Buchenwald (Seite 1)
Datum: 1939
Signatur: Archiv der IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2694,1
Titel: Fragebogen von Herrn H., Häftling im Konzentrationslager Buchenwald (Seite 2)
Datum: 1939
Signatur: Archiv der IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2694,1
Titel: Bericht an den Joint von Überlebenden der als „Polentransporte“ bezeichneten Deportationen nach Nisko am San (Seite 1)
Datum: 10. Jänner 1940
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2749
Titel: Bericht an den Joint von Überlebenden der als „Polentransporte“ bezeichneten Deportationen nach Nisko am San (Seite 2)
Datum: 10. Jänner 1940
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2749
Titel: Bericht an den Joint von Überlebenden der als „Polentransporte“ bezeichneten Deportationen nach Nisko am San (Seite 3)
Datum: 10. Jänner 1940
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2749
Titel: Deportationslisten der „Nisko-Transporte“ am 20. Oktober 1939 und 27. Oktober 1939 (Deckblatt)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DEP / 1 / 10
Deportationen ab 1941: Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager
Im Frühjahr 1941 begannen die Nationalsozialisten mit der systematischen Deportation der österreichischen Jüdinnen und Juden, die bereits in den ersten Jahren nach dem „Anschluss“ zwangsweise nach Wien übersiedeln mussten. Die ersten Transporte gingen in den besetzten, nicht-annektierten Teil Polens, das sogenannte Generalgouvernement, in Ghettos in den Ortschaften Opole, Kielce, Modliborzyce, Opatow und Lagow. Diese Ghettos wurden in den folgenden Monaten aufgelöst und die dort eingesperrten Jüdinnen und Juden in Vernichtungslager deportiert und ermordet.
Zwischen dem 15. Oktober und 2. November 1941 organisierten die Nationalsozialisten die Deportation von rund 5000 Jüdinnen und Juden aus Wien in das Ghetto Łódź/Litmannstadt. Dort wurde ein großer Teil der Verschleppten weiter in das Vernichtungslager Chełmno/Kulmhof gebracht und ermordet. Die restlichen österreichischen Jüdinnen und Juden wurden beinahe ausnahmslos im Ghetto selbst oder nach dessen Auflösung im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordet. 15 weitere Deportationszüge aus Wien wurden in das sogenannte Reichskommissariat Ostland geschickt, die Deportierten kamen in die Ghettos Kaunas, Riga und Minsk bzw. wurden an Vernichtungsorten wie Maly Trostinec direkt nach ihrer Ankunft ermordet.
Im Frühjahr 1942, im Kontext der „Aktion Reinhard“, also der Vernichtung der Jüdinnen und Juden auf polnischem Gebiet, organisierten die Nationalsozialisten Transporte nach Izbica und Wlodawa, beides Transitorte, die auf dem Weg in die Vernichtungslager Bełżec und Sobibór lagen. Zusätzlich verließ am 17. Juli 1942 ein Transport Wien mit dem Ziel Auschwitz.
Personenbezogene Dokumente der Israelitischen Kultusgemeinde Wien bzw. später des Ältestenrates der Juden in Wien wurden von den Nationalsozialisten als Grundlage für die Zusammenstellung der Deportationszüge verwendet. Zusätzlich war die IKG Wien für das Erscheinen der auf den Deportationslisten verzeichneten Personen am Wiener Aspangbahnhof verantwortlich, von wo aus die Transporte in den Tod losfuhren. Heute befinden sich im Archiv der IKG Wien Durchschläge der Deportationslisten. Weitere Quellen zu den Deportationen sind die Hauslisten, auf denen jüdische MieterInnen verzeichnet wurden und im Falle ihrer Deportation gestrichen wurden, sowie Personalkarten der Kultusgemeinde, auf denen ebenfalls Deportationen der jeweiligen IKG-MitarbeiterInnen vermerkt wurden.
Titel: Memorandum betreffend die befohlene „Umsiedlung“ von 10.000 Wiener Jüdinnen und Juden nach Polen (Seite 1)
Datum: 1941
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 3032
Titel: Memorandum betreffend die befohlene „Umsiedlung“ von 10.000 Wiener Jüdinnen und Juden nach Polen (Seite 2)
Datum: 1941
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 3032
Titel: Aktennotiz zu einer Vorladung von IKG-Amtsdirektor Dr. Löwenherz zu SS Obersturmführer Brunner betreffend Deportationen (Seite 1)
Datum: 2. Oktober 1941
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 3015
Titel: Aktennotiz zu einer Vorladung von IKG-Amtsdirektor Dr. Löwenherz zu SS Obersturmführer Brunner betreffend Deportationen (Seite 2)
Datum: 2. Oktober 1941
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 3015
Titel: Deportationsliste betreffend den Transport Nr. 13 nach Riga am 3.12.1941 (Deckblatt)
Datum: 1941
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DEP / 1 / 13
Titel: Statistiken betreffend den 36. Deportationstransport nach Minsk am 17.08.1942, erstellt von der Wirtschaftsstelle der IKG Wien (Seite 1)
Datum: 18. August 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2779,36
Titel: Statistiken betreffend den 36. Deportationstransport nach Minsk am 17.08.1942, erstellt von der Wirtschaftsstelle der IKG Wien (Seite 2)
Datum: 18. August 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2779,36
Titel: Statistiken betreffend den 36. Deportationstransport nach Minsk am 17.08.1942, erstellt von der Wirtschaftsstelle der IKG Wien (Seite 3)
Datum: 18. August 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2779,36
Titel: Statistiken betreffend den 36. Deportationstransport nach Minsk am 17.08.1942, erstellt von der Wirtschaftsstelle der IKG Wien (Seite 4)
Datum: 18. August 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2779,36
Titel: Statistiken betreffend den 36. Deportationstransport nach Minsk am 17.08.1942, erstellt von der Wirtschaftsstelle der IKG Wien (Seite 5)
Datum: 18. August 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2779,36
Titel: Meldeanfrage der Erhebungsabteilung der IKG Wien
Datum: 27. August 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2753
Titel: Erhebungsbericht betreffend den Aufenthaltsort von Herrn K.
Datum: 2. September 1942
Signatur: Archiv der IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2753
Titel: Personalbogen eines IKG-Mitarbeiters mit Deportationsvermerk
Datum: 1942
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / I – III / PERS / Kartei, Rei – Ros
Titel: Überblicksliste zu Deportationszügen aus Wien zwischen 1941 und 1943 (Seite 1)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2735
Titel: Überblicksliste zu Deportationszügen aus Wien zwischen 1941 und 1943 (Seite 2)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2735
In den Jahren 1944/1945 organisierten die Nationalsozialisten – konträr zu ihrem Dogma, das Deutsche Reich „judenrein“ zu machen – Deportationen von ungarischen Jüdinnen und Juden auf das Gebiet des heutigen Österreichs. Das Motiv hinter diesen Verschleppungen war, die Deportierten als ZwangsarbeiterInnen in den Gauen Wien und Niederdonau auszunutzen. Mit dem Heranrücken der Roten Armee wurden die Zwangsarbeitsplätze sukzessive geräumt und die ungarischen Jüdinnen und Juden weiter in das Reichsinnere verschleppt, u.a. in das Konzentrationslager Mauthausen. Viele wurden auf diesen als Todesmärschen bezeichneten Routen von den Begleitmannschaften ermordet und am Weg verscharrt.
In Wien musste der Ältestenrat der Juden, die vormalige IKG Wien, die Betreuung der ungarisch-jüdischen ZwangsarbeiterInnen übernehmen. Die wenigen in Wien verbliebenen jüdischen Ärzte kümmerten sich um die Deportierten, jüdische Hilfsorganisationen versorgten sie mit Kleidungsstücken.
Das Archiv der IKG Wien verfügt über einzelne wenige, jedoch historisch umso bedeutendere Dokumente zu ungarisch-jüdischen ZwangsarbeiterInnen auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Darunter befinden sich Korrespondenzen und Formulare betreffend die Versorgung von deportierten Jüdinnen und Juden, Namenslisten und Dokumente zu Todesfällen.
Die Punkte auf der Zeitleiste stellen historisch wichtige Ereignisse des Archivs der Kultusgemeinde Wien dar und geben Ihnen einen Überblick über die zeitliche Einordnung des unten dargestellten Exponats. Durch den Klick auf einen der Punkte erhalten Sie mehr Informationen.
Das Toleranzpatent für die Juden in Wien und in Niederösterreich ermöglichte einzelnen jüdischen Familien unter Abgabe eines Zinses, sich in Wien anzusiedeln, bestimmten Gewerben nachzugehen und ihren Glauben im Privaten auszuüben sowie ihren Kindern Religionsunterricht erteilen zu lassen.
Der Buchdrucker Anton Schmid, der eine Lizenz zum Drucken hebräischer Werke hatte, welche durch die Zensur streng begutachtet wurden, überließ den Wiener Juden aus Dankbarkeit für zahlreiche Aufträge 133 Drucke. Diese bildeten den Grundstock der bis heute bestehenden Gemeindebibliothek.
1814 bis 1815Durch den Einfluss des Code Civil kamen die Juden in Europa der Gleichstellung näher. Bei der Reorganisation waren die Juden im Habsburgerreich dem Kaiser gegenüber loyal, sie hofften auf weitere Fortschritte. Jedoch wurden mit dem Scheitern der Demokratisierung die Zugeständnisse eingeschränkt.
Aufgrund wiederholter Unstimmigkeiten betreffend die Gültigkeit von Erlässen, welche die Rechte und Pflichten der ortsansässigen Juden regelten, beschlossen am 30. Juni 1816 die Vertreter der Wiener Judenschaft, ihre Aktenstücke durch einen Aktuar zu sammeln und aufzubewahren.
Die Grundsteinlegung des Wiener Stadttempels am 12. Dezember 1825 erfolgte durch Rabbiner Isak Noa Mannheimer. Die Synagoge wurde nach den Plänen von Josef Kornhäusel errichtet und den damaligen Bauvorschriften folgend, von außen nicht sichtbar in ein Wohnhaus integriert.
Mannheimer und Sulzer waren mit Krisen zwischen Orthodoxie und Reformern konfrontiert. Die Spaltung der Gemeinde konnte durch eine Gottesdienstordnung, die hebräische Gebete, deutsche Predigten sowie den Verzicht auf die beliebte Orgel, aber die Einführung eines Chors vorsah, verhindert werden.
Mit der Errichtung des Stadttempels in der Seitenstettengasse im ersten Wiener Bezirk gelang es den Wiener Juden erstmals seit der Vertreibung 1670, wieder ein geistiges und religiöses Zentrum zu errichten. Als erster Rabbiner wirkte hier Isak Noa Mannheimer, als erster Kantor Salomon Sulzer.
Unter dem Aktuar Josef Veith wurde eine Ausführungsverordnung für die Archiv-Registratur beschlossen, die beinhaltete, dass zu jeder Archivalie ein Regest erstellt werden solle. Außerdem wurde er angewiesen, für das bisher gesammelte Archivgut einen Schrank zu erwerben.
Ab den 1840er Jahren verlieh Ludwig August Frankl von Hochwart der Registratur „Archivcharakter“ und verbrachte die Archivalien nach 1020 Wien, Czerningasse 4. Die Akten wurden nach Herkunft geordnet und katalogisiert. Dies betraf 22 Stücke von 1626 bis 1805 und rund 10.000 aus der Zeit ab 1806.
In Folge der bürgerlichen Revolution 1848 kam es 1849 zu einer Begegnung mit dem Kaiser, in der die Gemeindegründung beschlossen wurde. 1852 wurden ihre provisorischen Statuten genehmigt. Damit gewann die Institution ihre Autonomie zur Regelung ihrer politischen Angelegenheiten und in Kultusfragen.
Aufgrund schwerer Hungersnöte wanderten große Teile der Bevölkerung Galiziens aus. Viele galizische Juden zogen nach Wien. Wegen verschiedener ritueller Traditionen führte dies einerseits zu Spannungen in der Gemeinde, andererseits zu einer verstärkten internen kulturellen Auseinandersetzung.
Das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ verlieh den Juden erstmals das Recht, ihren Aufenthaltsort im Habsburgerreich frei zu wählen, die ungehinderte Religionsausübung und sorgte für gesetzliche Gleichstellung.
Per Gesetz betreffend die Beweiskraft der Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken der Israeliten (RGBl. Nr. 12/1869) wurde die eigenständige Matrikenführung staatlich anerkannt. Ab diesem Zeitpunkt führten staatlich beeidete Matrikenführer die Personenstandsbücher. Diese werden bis heute fortgeführt.
Nach Annahme einer Reform des Kultus durch liberal fortschrittliche Kräfte unter der Führung Ignaz Kurandas kam es zum Kultusstreit. Die Orthodoxen unter der Führung Rabbiners Salomon Spitzer wollten aus der Gemeinde ausscheiden. Durch Kompromisse konnte die Spaltung der Gemeinde verhindert werden.
In Russland fanden verheerende Pogrome an der jüdischen Bevölkerung statt. Die IKG Wien beteiligte sich an Hilfsaktionen für die Opfer und Flüchtigen sowie an Protestaktionen gegen die von den russischen Geheimdiensten gesteuerten Gewalttaten.
Mit dem „Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft“ wurde ein Gesetz geschaffen, welches das Verhältnis der verschiedenen, nach geographischen Gebieten eingeteilten Kultusgemeinden zum Staat auf eine einheitliche Rechtsgrundlage stellte.
Nach 15-jähriger Vorbereitung wurde die Israelitisch-Theologische Lehranstalt Wien nach Vorbild des Jüdisch-Theologischen Seminars Breslau eröffnet. Eine wissenschaftliche Rabbiner- und Religionslehrerausbildung sollte etabliert werden. Ziel war die Qualitätssicherung des Religionsunterrichts.
1895 wurde in Wien das erste Jüdische Museum gegründet.
Siegmund Husserl führte erstmalig eine wissenschaftliche Archivverwaltung mit parallel geführter Registratur ein und entwickelte weitere Pläne für die Entwicklung und Vernetzung des Archivs. Seine Idee eines Zentralarchivs der österreichischen jüdischen Kultusgemeinden wurde nicht verwirklicht.
Unter Archivar Samuel Pinkas sollten eine Archivordnung und eine Kanzleiregistratur erstellt werden. Durch den Ersten Weltkrieg konnten diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Beschreibungen des Historikers Alfred F. Přibram zufolge herrschten zu Ende des Krieges im Archiv chaotische Zustände.
Unter der Leitung des Archivars Saul Chajes erfolgte eine Umstrukturierung des Archivs. Er beschloss eine chronologische Ordnung der Akten bis 1860, ein Einteilung nach Jahrgängen und Exhibitenzahlen für Akten bis 1926 und parallel dazu die Katalogisierung nach Schlagworten, Orts- und Personennamen.
Der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistisch regierte Deutschland, eine von weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung begrüßte Annexion, führte zur Aufgabe der staatlichen Souveränität und ebnete den Weg zur Verfolgung und Ermordung auch der österreichischen Juden.
Anfang Mai 1938Nach dem „Anschluss“ wurde die IKG zunächst geschlossen und Anfang Mai wiedereröffnet. Sie musste unter Kontrolle der NS-Verwaltung und der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ zwangsweise die Vertreibung der Gemeindemitglieder und ab 1941 die Deportation organisieren.
Juli 1938Die erzwungene Umstrukturierung der IKG verursachte eine Flut von Akten, die im Archiv nicht mehr methodisch abgelegt werden konnten. Die Gestapo beschlagnahmte zudem einen Teil der Archivalien und brachte ihn nach Berlin ins Reichssicherheitshauptamt zur rassenideologischen Auswertung.
9. November 1938In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden alle Wiener Synagogen und Bethäuser außer dem Stadttempel zerstört, da er sich in einem Wohnhaus befindet. Geschäfte wurden geplündert, über 6.000 Juden wurden verhaftet und viele ins Konzentrationslager Dachau verschleppt
Mit dem deutschen Angriff auf Polen begann der Zweite Weltkrieg. Da 1943 Bombenangriffe auf Berlin zunahmen, bargen die NS-Behörden die konfiszierten jüdischen Wiener Archivalien in Schlesien. Von dort verbrachte die Rote Armee 1945 sie als „Beuteakten“ nach Moskau.
20. Oktober 1939Ende 1939 befahl Adolf Eichmann erste Deportationen österreichischer Juden ins neu besetzte Polen. In Nisko sollte ein sogenanntes Judenreservat entstehen, ein Konzentrationslager. Aufgrund unzulänglicher Verkehrswege und kriegsbedingt beanspruchter Transportmittel wurde das Lager 1940 aufgegeben.
Am 19. September 1941 trat die sogenannte Judensternverordnung in Kraft, die Kennzeichnungspflicht für Juden. Ab dem 23. Oktober 1941 war die Ausreise aus deutschen Reichsgebieten für Juden verboten. Beide Maßnahmen dienten der Vorbereitung der endgültigen Vernichtung.
Im September 1941 wurde mit der Ermordung noch nicht aus dem Einflussgebiet der Nationalsozialisten geflohener Juden begonnen. Den Deportationen und Tötungen waren Jahre der Verfolgung vorausgegangen. Ab Februar 1942 wurden die letzten in Wien verbliebenen Juden in Konzentrationslager verschleppt.
Leopold Moses, der letzte Archivar des IKG-Archivs vor der Wiederbegründung 2009, wurde am 14. Oktober 1943 verhaftet und am 1. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Nach dem Ende seiner Tätigkeit war das Archiv der IKG Wien de facto nicht mehr existent.
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Damit wurden Deutschland und die in der Zeit von 1938 bis 1945 besetzten Gebiete von nationalsozialistischer Herrschaft befreit und die rassistische Gesetzgebung aufgehoben.
8. Mai 19451945 wurde die IKG wiederbegründet, die erste Wahl des Kultusvorstandes fand im April 1946 statt. Die IKG stand infolge vor der Herausforderung, nach Wien zurückkehrenden Juden, KZ-Überlebenden und Angehörigen der 65.000 im Holocaust Ermordeten zu helfen und Opferentschädigungen voranzutreiben.
Alex Bein, Direktor des Zionistischen Archivs, schlug 1949 vor, die nach 1945 in desolatem Zustand befindlichen Archivalien nach Jerusalem zu bringen. Die IKG stimmte 1951 zu. Die Central Archives (vormals General Archives) erhielten in vier Tranchen (zuletzt 1978) Archivmaterial als Leihgabe.
Zehn Jahre nach Kriegsende und 17 Jahre nach dem „Anschluss“ erhielt Österreich seine Souveränität zurück. Damit wurde aber auch der Mythos des „ersten Opfers der Nationalsozialisten“ besiegelt, für viele Österreicher ein Anlass, die Teilverantwortung für die Judenverfolgung von sich zu weisen.
Avshalom Hodik erstellte in den 1970er Jahren ein Findmittel der den Central Archives in Jerusalem (vormals General Archives) leihweise übergebenen Archivalien der Wiener Jüdischen Gemeinde sowie 1979 einen Abschlussbericht zum Archiv der IKG Wien. Dieses Findmittel umfasst 432 Seiten.
1986 entdeckte der damalige Sicherheitsbeauftragte Ernst Meir Stern im Zuge von Renovierungsarbeiten im Keller unterhalb der Synagoge in der Seitenstettengasse „verschollenes“ Archivmaterial. Es wurde wegen der Umbauten außer Haus gebracht. Danach geriet es jedoch wieder in Vergessenheit.
Auf Initiative des damaligen Präsidenten der IKG, Ariel Muzicant, und der Exekutivdirektorin des Präsidiums, Erika Jakubovits, wurde ab 1998 nach verbliebenen Archivalien gesucht. Im Jahr 2000 wurden umfassende Bestände (800 Kartons) in einem Haus der IKG in der Herklotzgasse in 1150 Wien gefunden.
Mehr als 70 Jahre nach der Auflösung durch die Nationalsozialisten wurde im Jänner 2009 das Archiv als eigene Abteilung der IKG Wien wieder begründet und damit dessen Bedeutung für die Kultusgemeinde unterstrichen.
Die Räumlichkeiten des IKG-Archivs wurden einer grundlegenden Sanierung unterzogen. Entsprechend modernen Archivstandards wurden Brandschutz, Klimaanlage und Lüftung eingerichtet. Damit ist sichergestellt, dass das gesamte historische Aktenmaterial fachgerecht gelagert ist.
Zum 200-jährigen Jubiläum des Archivs fand erstmals ein Tag der offenen Tür statt. Die Zugänglichkeit zum Archiv für wissenschaftliche und private Forschung ist seither möglich. Eine Festschrift sowie eine Website wurden im Zuge der Feierlichkeiten vorgestellt.
Titel: Schreiben eines Notars (Gerichtskommissärs) betreffend die Verlassenschaft einer ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiterin (Seite 1)
Datum: 21. August 1944
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / AD / 5 / 13
Titel: Schreiben eines Notars (Gerichtskommissärs) betreffend die Verlassenschaft einer ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiterin (Seite 2)
Datum: 21. August 1944
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / AD / 5 / 13
Titel: Antwortschreiben von Dr. Löwenherz als Leiter des „Ältestenrates der Juden in Wien“ betreffend die Verlassenschaft einer ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiterin
Datum: 20. September 1944
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / AD / 5 / 13
Titel: Dienstordnung für sogenannte Kontrollkrankenbehandler der Arbeitslager für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen (Seite 1)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / AD / 5 / 13
Titel: Dienstordnung für sogenannte Kontrollkrankenbehandler der Arbeitslager für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen (Seite 2)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / AD / 5 / 13
Titel: Dienstordnung für sogenannte Kontrollkrankenbehandler der Arbeitslager für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen (Seite 3)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / AD / 5 / 13
Titel: Listen benötigter Gegenstände für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen in den „Ostmark Werken“ (Seite 1)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DIV / 3 / 7
Titel: Listen benötigter Gegenstände für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen in den „Ostmark Werken“ (Seite 2)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DIV / 3 / 7
Titel: Listen benötigter Gegenstände für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen in den „Ostmark Werken“ (Seite 3)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DIV / 3 / 7
Titel: Listen benötigter Gegenstände für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen in den „Ostmark Werken“ (Seite 4)
Datum: ohne Datum
Signatur: Archiv IKG Wien, Bestand Wien, A / VIE / IKG / II / DIV / 3 / 7