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Rabbiner in Wien

Auf den folgenden Seiten werden Kurzbiographien zu einigen Rabbinern, die in Wien gewirkt haben, dargestellt: 

  • Samson Wertheimer 1658-1724
  • Isaak Noa Mannheimer, 1793-1865
  • Lazar Horowitz, 1800 (1803)-1868
  • Dr.Adolf Jellinek 1821-1893
  • Moritz Güdemann 1835-1918
  • Dr. Joseph Samuel Bloch 1850-1923
  • Dr. David Israel Taglicht 1862-1943
  • David Feuchtwang 1864-1936
  • Professor Zwi Peres Chajes 1876-1927
  • Dr. Max Grunwald 1879-1953
  • Alexander Kristianpoller 1884 -1942
  • Dr. Benjamin Murmelstein 1905-1989
  • Dr. Akiba (Bela) Eisenberg 1908-1983

Die Liste ist nicht vollständig und wird ständig erweitert.

 

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Wertheimer / Mannheimer / Horowitz

Samson Wertheimer 1658-1724
geboren in Worms, zog er 1684 nach Wien, wo er gemeinsam mit Samuel Oppenheimer Leopold I. finanziell unterstützte und nach Oppenheimers Tod zum Hoffaktor wurde. Zu Lebzeiten diente er drei deutschen Kaisern. Dennoch vernachlässigte er nicht seine rabbinischen Studien und besaß den Titel eines ungarischen Landesrabbiners. Wertheimer ordinierte als Rabbiner von Eisenstadt, da ab 1670 die jüdische Gemeinde in Wien nicht mehr zugelassen war. Im ehemaligen Wertheimer’schen Freihaus in Eisenstadt befindet sich seit 1972 das Österreichische Jüdische Museum. Seine Familie sollte bis ins 19. Jahrhundert den Geldhandel wesentlich prägen.

 

 

 

 

Isaak Noa Mannheimer, 1793-1865
wurde in Kopenhagen geboren und kam über Hamburg und Berlin 1824 nach Wien, zunächst offiziell als Leiter der israelitischen Religionsschule, später als anerkannter Prediger. Er galt als Vertreter eines reformierten Judentums, geprägt vom Geist Moses Mendelssohns, und modernisierte den Gottesdienst, ohne eine Spaltung der Wiener jüdischen Gemeinde in eine orthodoxe und eine liberale, wie sie in vielen anderen Städten der Fall war, zu verursachen. Er war es auch, der am 9. April 1826 den Stadttempel mit seiner Predigt einweihte. Mannheimer prägte maßgeblich den „Wiener Ritus“, auch „Mannheimer Ritus“ genannt, gemeinsam mit dem Chasan (Kantor) Salomon Sulzer. Dieser Ritus sieht unter anderem eine auf Deutsch vorgetragene Predigt vor, die Gebete wurden weiterhin auf Hebräisch gehalten. Der Wiener Ritus verbreitete sich bald auch in Böhmen, Ungarn und Teilen Deutschlands. Mannheimer übersetzte den Siddur 1840 ins Deutsche.

Lazar Horowitz, 1800 (1803)-1868

geboren in der Oberpfalz, studierte er zunächst in Pressburg und kam 1828 nach Wien, wo er bis 1868 als Oberrabbiner fungierte, zuerst allerdings unter dem Titel des Ritualienaufsehers. Es gelang ihm, gemeinsam mit Adolf Jellinek und Isaak Noa Mannheimer eine Brücke zwischen Orthodoxie und Reformjudentum zu bauen. Er setzte sich für eine Aufhebung des Judeneides ein und stand Heinrich Graetz bei seinem Prozeß, der sog. “Kompert Affaire” wegen angeblicher Häresie, bei.

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Jellinek / Güdemann / Bloch

Dr. Adolf Jellinek 1821-1893
wurde in Mähren geboren und studierte in Prag und Leipzig, wo er ab 1848 als Rabbiner amtierte. Er galt als liberal und war ein Vertreter der “historisch-positiven Schule”. Nach seiner Ankunft in Wien 1856 predigte er zunächst im Stadttempel, ab 1858 auch im Leopoldstädter Tempel. 1865 folgte er Isaak Noa Mannheimer als Rabbiner, später Oberrabbiner, des Stadttempels. Jellinek war berühmt für seine elaborierten Predigten, Kritiker bezeichneteten sie jedoch als inhaltsleer und kalt. 1863 gründete er in Wien das “Bet Hamidrasch”, eine Lehranstalt für Rabbiner.

Moritz Güdemann 1835-1918
geboren in Hildesheim, besuchte er die jüdische Volkschule und ein katholisches Gymnasium. In Breslau studierte er am neugegründeten Jüdisch-theologischen Seminar und wurde nach Beendigung des Studiums Rabbiner in Magdeburg. Ein Vertreter der Neo-Orthodoxie, wurde er 1866 nach Wien berufen, wo er zunächst als Prediger im Leopoldstädter Tempel und ab 1894, nach Adolf Jellineks Tod, als Oberrabbiner im Stadttempel ordinierte. Er verfasste zahlreiche Werke, darunter „Das jüdische Unterrichtswesen während der spanisch-arabischen Periode“, „Geschichte des Erziehungswesens und der Kultur des abendländischen Judentums während des Mittelalters und der Neuzeit“ sowie „Das Judentum in seinen Grundzügen nach seiner geschichtlichen Grundlage dargestellt“. Er war ein Freund Theodor Herzls und unterstützte dessen Idee des Zionismus.

Dr. Joseph Samuel Bloch 1850-1923
geboren in Galizien, genoss er zunächst eine Rabbinerausbildung, bevor er in Magdeburg und Liegnitz seine Gymnasialausbildung nachholte. Anschließend studierte er an den Universitäten München und Zürich Philosophie. Er amtierte als Rabbiner unter anderem in Böhmen, danach in Floridsdorf. Bloch war von 1883 bis 1895 Mitglied des österreichischen Abgeordnetenhauses als Abgesandter der galizischen Bezirke Buczacz-Kolomea-Sniatyn und als Mitglied des Polenklubs und engagierte sich sehr in jüdischen Belangen. Der bekannte Antisemit August Rohling führte gegen ihn einen Prozeß, nachdem Bloch ihm in Bezug auf die Ritualmordlegende von Tiszaeszlar Fälschung und Meineid vorgeworfen hatte. Gemeinsam mit Moritz Güdemann gründete Bloch 1884 die Österreich-Israelitische Union, weiters war er Gründer, Herausgeber und Redakteur der Österreichischen Wochenschrift „Dr. Bloch's Wochenschrift“. Er galt als Anhänger des nationalen Judentums und der jüdischen Ansiedlung in Palästina, war jedoch ein Gegner von Theodor Herzls Politik und des politischen Zionismus‘.

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Taglicht / Feuchtwang / Chajes


Dr. David Israel Taglicht 1862-1943
Geboren in der Ukraine, Studium in Berlin an der Universität und am neoorthodoxen Rabbinerseminar, ab 1893 Rabbiner in Wien. Er unterrichtete an der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt (ITLA) von 1932 an Homiletik und predigte im Leopoldstädter Tempel. Auch nach der Ernennung zum Oberrabbiner des Stadttempels nach David Feuchtwangs Tod 1936 setzte er seine Unterrichtstätigkeit fort. Taglicht war auch wissenschaftlich tätig, gab unter anderem die „Nachlässe der Wiener Juden im 17. Und 18. Jahrhundert (1917, Fortsetzung 1936) heraus und arbeitete an Wachsteins Werk „Die hebräische Publizistik in Wien“ (1930) mit. Im März 1938 wurde er von den Nationalsozialisten gedemütigt und gequält. Mit Unterstützung aus dem Ausland gelang ihm später die Flucht nach England, wo er in Cambridge seine letzte Ruhestätte fand.

David Feuchtwang 1864-1936
Geboren in Mähren als Sohn des Landesrabbiners Meir Feuchtwang, kam er nach dem Besuch des orthodoxen Rabbinerseminars in Berlin als Gemeinderabbiner nach Wien Währing. Nach Zwi Peres Chajes‘ Tod folgte er ihm 1933 als Oberrabbiner an den Stadttempel. Feuchtwang galt als Anhänger des Zionismus und war ein Bekannter Theodor Herzls. Er publizierte Beiträge in „Monumenta Judaica” und der “Zeitschrift für Kunst und Kunstgeschichte” und war ausserdem des Hebräischen mächtig.

Professor Zwi Peres Chajes 1876-1927
Geboren in der Grenzstadt Brody, Galizien, als Sohn eines Rabbiners. Er besuchte sowohl eine Jeschiwa  als auch ein Gymnasium und studierte in Wien am Rabbinerseminar und dissertierte an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Er erhielt in Folge eine Professur an der Universität in Florenz und widmete sich der hebräischen Sprache. 1918 kam er als Oberrabbiner nach Wien zurück und gründete ein Jahr später das jüdische Realgymnasium. Weiters war er Mitglied des Kuratoriums der Hebräischen Universität in Jerusalem und zwischen 1921 und 1925 Präsident des Zionistischen Aktionskomitees. Nach Chajes‘ Tod im Jahr 1927 wurde das Realgymnasium nach ihm benannt und trägt seinen Namen bis heute.

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Grunwald / Kristianpoller / Murmelstein

Dr. Max Grunwald 1879-1953
Geboren in Oberschlesien, absolvierte er in Breslau ein Philosophiestudium und studierte gleichzeitig am Jüdisch-Theologischen Seminar. Er ordinierte einige Jahre als Rabbiner in Hamburg, wo er die "Gesellschaft für jüdische Volkskunde" und das Jüdische Museum gründete, bevor er 1903 nach Wien kam, zunächst als Rabbiner in der Synagoge in der  Turnergasse, 10 Jahre später im Leopoldstädter Tempel. Neben bzw. nach seiner Tätigkeit als Rabbiner verfasste er mehrere Bücher, darunter zwei Gebetsbücher sowie die Werke „Spinoza in Deutschland“  und „Samuel Oppenheimer und sein Kreis“.  Seine Frau war die Tochter von Dr. Joseph Samuel Bloch. Er wanderte 1938 nach kurzer Inhaftierung im Zuge des „Anschlusses“ nach Palästina (Jerusalem) aus, wo er Jahre später verstarb.

Alexander Kristianpoller 1884 -1942
In Galizien in eine Rabbinerfamilie hineingeboren, besuchte er ein deutschsprachiges Gymnasium. Nach Beendigung seines Studiums in Wien arbeitete er 1918 zunächst als Rabbinerassistent in Linz, nach seiner Rückkehr nach Wien ein Jahr später als Bibliothekar der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt (ITLA) und betreute in Folge die Liturgievorlesungen. Sein Hauptwerk „Traum und Traumdeutung im Talmud“ erschien 1922 in der Reihe „Monumenta Talmudica“ , weiters publizierte er diverse wissenschaftliche Artikel. 1938 konnte er als einziger Lehrer der ITLA nicht mehr rechtzeitig fliehen, wurde ins Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet.

Dr. Benjamin Murmelstein 1905-1989
Geboren in Lemberg, nach der Übersiedlung nach Wien Studium der Philosophie und an der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt (ITLA). Ab 1931 war Murmelstein als Gemeinderabbiner in der Synagoge in der Kluckygasse („Brigittenauer Tempel“) in Wien tätig und arbeitete als Religionslehrer. Darüber hinaus war er Verfasser jüdisch-theologischer und geschichtswissenschaftlicher Publikationen und veröffentlichte Schriften, die gegen antijüdische Propaganda Stellung bezogen. Nach dem „Anschluss Österreichs arbeitete er in der Auswanderungsabteilung der jüdischen Gemeinde. 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert, wo er als „Judenältester“ fungierte. Nach Kriegsende war in die Auflösung des Lagers involviert und wurde wegen Verdacht auf Kollaboration mit den Nationalsozialsten festgenommen, jedoch davon freigesprochen. Dieser Vorwurf sollte ihn jedoch zeitlebens verfolgen. 1947 zog er nach Rom, blieb aber österreichischer Staatsbürger und publizierte über das Lager Theresienstadt.

Dr. Akiba (Bela) Eisenberg
Geboren in der Slowakei, aufgewachsen in Ungarn, erlangte er das Rabbinerdiplom und studierte nach Ablegung der Matura Philosophie und orientalische Sprachen in Budapest. 1947 wurde er Rabbiner in Gyor und übersiedelte ein Jahr später nach Wien, wo er zum ersten Oberrabbiner nach Ende des 2. Weltkriegs berufen wurde.

  1. So verwenden sie die Zeitleiste

    Die Punkte auf der Zeitleiste stellen historisch wichtige Ereignisse des Archivs der Kultusgemeinde Wien dar und geben Ihnen einen Überblick über die zeitliche Einordnung des unten dargestellten Exponats. Durch den Klick auf einen der Punkte erhalten Sie mehr Informationen.

  2. 2. Jänner 1782

    Toleranzpatent Josephs II. .

    Das Toleranzpatent für die Juden in Wien und in Niederösterreich ermöglichte einzelnen jüdischen Familien unter Abgabe eines Zinses, sich in Wien anzusiedeln, bestimmten Gewerben nachzugehen und ihren Glauben im Privaten auszuüben sowie ihren Kindern Religionsunterricht erteilen zu lassen.

  3. Begründung der Gemeindebibliothek.

    Der Buchdrucker Anton Schmid, der eine Lizenz zum Drucken hebräischer Werke hatte, welche durch die Zensur streng begutachtet wurden, überließ den Wiener Juden aus Dankbarkeit für zahlreiche Aufträge 133 Drucke. Diese bildeten den Grundstock der bis heute bestehenden Gemeindebibliothek.

    1814 bis 1815

    Wiener Kongress.

    Durch den Einfluss des Code Civil kamen die Juden in Europa der Gleichstellung näher. Bei der Reorganisation waren die Juden im Habsburgerreich dem Kaiser gegenüber loyal, sie hofften auf weitere Fortschritte. Jedoch wurden mit dem Scheitern der Demokratisierung die Zugeständnisse eingeschränkt.

  4. 30. Juni 1816

    Gründung des Wiener Jüdischen Archivs .

    Aufgrund wiederholter Unstimmigkeiten betreffend die Gültigkeit von Erlässen, welche die Rechte und Pflichten der ortsansässigen Juden regelten, beschlossen am 30. Juni 1816 die Vertreter der Wiener Judenschaft, ihre Aktenstücke durch einen Aktuar zu sammeln und aufzubewahren.

  5. 12. Dezember 1825

    Grundsteinlegung des Wiener Stadttempels.

    Die Grundsteinlegung des Wiener Stadttempels am 12. Dezember 1825 erfolgte durch Rabbiner Isak Noa Mannheimer. Die Synagoge wurde nach den Plänen von Josef Kornhäusel errichtet und den damaligen Bauvorschriften folgend, von außen nicht sichtbar in ein Wohnhaus integriert.

    Einführung des Wiener Ritus .

    Mannheimer und Sulzer waren mit Krisen zwischen Orthodoxie und Reformern konfrontiert. Die Spaltung der Gemeinde konnte durch eine Gottesdienstordnung, die hebräische Gebete, deutsche Predigten sowie den Verzicht auf die beliebte Orgel, aber die Einführung eines Chors vorsah, verhindert werden.

  6. 9. April 1826

    Einweihung des Wiener Stadttempels.

    Mit der Errichtung des Stadttempels in der Seitenstettengasse im ersten Wiener Bezirk gelang es den Wiener Juden erstmals seit der Vertreibung 1670, wieder ein geistiges und religiöses Zentrum zu errichten. Als erster Rabbiner wirkte hier Isak Noa Mannheimer, als erster Kantor Salomon Sulzer.

  7. 31. Oktober 1827

    Erste Registratur-Verordnung.

    Unter dem Aktuar Josef Veith wurde eine Ausführungsverordnung für die Archiv-Registratur beschlossen, die beinhaltete, dass zu jeder Archivalie ein Regest erstellt werden solle. Außerdem wurde er angewiesen, für das bisher gesammelte Archivgut einen Schrank zu erwerben.

  8. Ludwig August Frankl wird Aktuar.

    Ab den 1840er Jahren verlieh Ludwig August Frankl von Hochwart der Registratur „Archivcharakter“ und verbrachte die Archivalien nach 1020 Wien, Czerningasse 4. Die Akten wurden nach Herkunft geordnet und katalogisiert. Dies betraf 22 Stücke von 1626 bis 1805 und rund 10.000 aus der Zeit ab 1806.

  9. Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien .

    In Folge der bürgerlichen Revolution 1848 kam es 1849 zu einer Begegnung mit dem Kaiser, in der die Gemeindegründung beschlossen wurde. 1852 wurden ihre provisorischen Statuten genehmigt. Damit gewann die Institution ihre Autonomie zur Regelung ihrer politischen Angelegenheiten und in Kultusfragen.

  10. 1857 bis 1910

    Hungersnöte in Galizien.

    Aufgrund schwerer Hungersnöte wanderten große Teile der Bevölkerung Galiziens aus. Viele galizische Juden zogen nach Wien. Wegen verschiedener ritueller Traditionen führte dies einerseits zu Spannungen in der Gemeinde, andererseits zu einer verstärkten internen kulturellen Auseinandersetzung.

  11. 21. Dezember 1867

    Staatsgrundgesetz (RGBl. 142/1867) .

    Das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ verlieh den Juden erstmals das Recht, ihren Aufenthaltsort im Habsburgerreich frei zu wählen, die ungehinderte Religionsausübung und sorgte für gesetzliche Gleichstellung.

  12. 10. Juli 1868

    Eigenständige Matrikenführung der IKG Wien.

    Per Gesetz betreffend die Beweiskraft der Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken der Israeliten (RGBl. Nr. 12/1869) wurde die eigenständige Matrikenführung staatlich anerkannt. Ab diesem Zeitpunkt führten staatlich beeidete Matrikenführer die Personenstandsbücher. Diese werden bis heute fortgeführt.

  13. Kultusstreit zwischen Orthodoxen und Liberalen in der IKG Wien.

    Nach Annahme einer Reform des Kultus durch liberal fortschrittliche Kräfte unter der Führung Ignaz Kurandas kam es zum Kultusstreit. Die Orthodoxen unter der Führung Rabbiners Salomon Spitzer wollten aus der Gemeinde ausscheiden. Durch Kompromisse konnte die Spaltung der Gemeinde verhindert werden.

  14. 1881 bis 1906

    Pogrome in Russland.

    In Russland fanden verheerende Pogrome an der jüdischen Bevölkerung statt. Die IKG Wien beteiligte sich an Hilfsaktionen für die Opfer und Flüchtigen sowie an Protestaktionen gegen die von den russischen Geheimdiensten gesteuerten Gewalttaten.

  15. 21. März 1890

    Israelitengesetz.

    Mit dem „Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft“ wurde ein Gesetz geschaffen, welches das Verhältnis der verschiedenen, nach geographischen Gebieten eingeteilten Kultusgemeinden zum Staat auf eine einheitliche Rechtsgrundlage stellte.

  16. 15. Oktober 1893

    Eröffnung der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt.

    Nach 15-jähriger Vorbereitung wurde die Israelitisch-Theologische Lehranstalt Wien nach Vorbild des Jüdisch-Theologischen Seminars Breslau eröffnet. Eine wissenschaftliche Rabbiner- und Religionslehrerausbildung sollte etabliert werden. Ziel war die Qualitätssicherung des Religionsunterrichts.

  17. 1. November 1895

    Eröffnung des ersten Jüdischen Museums Wien.

    1895 wurde in Wien das erste Jüdische Museum gegründet. 

  18. 1900er

    Siegmund Husserl .

    Siegmund Husserl führte erstmalig eine wissenschaftliche Archivverwaltung mit parallel geführter Registratur ein und entwickelte weitere Pläne für die Entwicklung und Vernetzung des Archivs. Seine Idee eines Zentralarchivs der österreichischen jüdischen Kultusgemeinden wurde nicht verwirklicht.

  19. 1914 bis 1918

    Das Archiv im Ersten Weltkrieg.

    Unter Archivar Samuel Pinkas sollten eine Archivordnung und eine Kanzleiregistratur erstellt werden. Durch den Ersten Weltkrieg konnten diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Beschreibungen des Historikers Alfred F. Přibram zufolge herrschten zu Ende des Krieges im Archiv chaotische Zustände.

  20. Reorganisation des Archivs.

    Unter der Leitung des Archivars Saul Chajes erfolgte eine Umstrukturierung des Archivs. Er beschloss eine chronologische Ordnung der Akten bis 1860, ein Einteilung nach Jahrgängen und Exhibitenzahlen für Akten bis 1926 und parallel dazu die Katalogisierung nach Schlagworten, Orts- und Personennamen.

  21. 12. März 1938

    „Anschluss“ .

    Der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistisch regierte Deutschland, eine von weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung begrüßte Annexion, führte zur Aufgabe der staatlichen Souveränität und ebnete den Weg zur Verfolgung und Ermordung auch der österreichischen Juden.

    Anfang Mai 1938

    Wiedereröffnung der IKG .

    Nach dem „Anschluss“ wurde die IKG zunächst geschlossen und Anfang Mai wiedereröffnet. Sie musste unter Kontrolle der NS-Verwaltung und der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ zwangsweise die Vertreibung der Gemeindemitglieder und ab 1941 die Deportation organisieren.

    Juli 1938

    NS-Kontrolle des Archivbetriebs.

    Die erzwungene Umstrukturierung der IKG verursachte eine Flut von Akten, die im Archiv nicht mehr methodisch abgelegt werden konnten. Die Gestapo beschlagnahmte zudem einen Teil der Archivalien und brachte ihn nach Berlin ins Reichssicherheitshauptamt zur rassenideologischen Auswertung.

    9. November 1938

    Novemberpogrome.

    In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden alle Wiener Synagogen und Bethäuser außer dem Stadttempel zerstört, da er sich in einem Wohnhaus befindet. Geschäfte wurden geplündert, über 6.000 Juden wurden verhaftet und viele ins Konzentrationslager Dachau verschleppt

  22. 1. September 1939 bis 8. Mai 1945

    Archiv im Zweiten Weltkrieg.

    Mit dem deutschen Angriff auf Polen begann der Zweite Weltkrieg. Da 1943 Bombenangriffe auf Berlin zunahmen, bargen die NS-Behörden die konfiszierten jüdischen Wiener Archivalien in Schlesien. Von dort verbrachte die Rote Armee 1945 sie als „Beuteakten“ nach Moskau.

    20. Oktober 1939

    Deportation nach Nisko am San.

    Ende 1939 befahl Adolf Eichmann erste Deportationen österreichischer Juden ins neu besetzte Polen. In Nisko sollte ein sogenanntes Judenreservat entstehen, ein Konzentrationslager. Aufgrund unzulänglicher Verkehrswege und kriegsbedingt beanspruchter Transportmittel wurde das Lager 1940 aufgegeben.

  23. Herbst 1941

    Kennzeichnungspflicht und Ausreiseverbot für Juden .

    Am 19. September 1941 trat die sogenannte Judensternverordnung in Kraft, die Kennzeichnungspflicht für Juden. Ab dem 23. Oktober 1941 war die Ausreise aus deutschen Reichsgebieten für Juden verboten. Beide Maßnahmen dienten der Vorbereitung der endgültigen Vernichtung.

  24. Februar 1942

    Beginn der Deportationen - „Endlösung der Judenfrage“.

    Im September 1941 wurde mit der Ermordung noch nicht aus dem Einflussgebiet der Nationalsozialisten geflohener Juden begonnen. Den Deportationen und Tötungen waren Jahre der Verfolgung vorausgegangen. Ab Februar 1942 wurden die letzten in Wien verbliebenen Juden in Konzentrationslager verschleppt.

  25. 1. Dezember 1943

    Deportation Leopold Moses.

    Leopold Moses, der letzte Archivar des IKG-Archivs vor der Wiederbegründung 2009, wurde am 14. Oktober 1943 verhaftet und am 1. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Nach dem Ende seiner Tätigkeit war das Archiv der IKG Wien de facto nicht mehr existent.

  26. 8. Mai 1945

    Kapitulation NS-Deutschlands.

    Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Damit wurden Deutschland und die in der Zeit von 1938 bis 1945 besetzten Gebiete von nationalsozialistischer Herrschaft befreit und die rassistische Gesetzgebung aufgehoben.

    8. Mai 1945

    Wiederbegründung der IKG nach der NS-Zeit.

    1945 wurde die IKG wiederbegründet, die erste Wahl des Kultusvorstandes fand im April 1946 statt. Die IKG stand infolge vor der Herausforderung, nach Wien zurückkehrenden Juden, KZ-Überlebenden und Angehörigen der 65.000 im Holocaust Ermordeten zu helfen und Opferentschädigungen voranzutreiben.

  27. Leihweise Übergabe von Archivalien nach Jerusalem .

    Alex Bein, Direktor des Zionistischen Archivs, schlug 1949 vor, die nach 1945 in desolatem Zustand befindlichen Archivalien nach Jerusalem zu bringen. Die IKG stimmte 1951 zu. Die Central Archives (vormals General Archives) erhielten in vier Tranchen (zuletzt 1978) Archivmaterial als Leihgabe.

  28. 15. Mai 1955

    Staatsvertrag.

    Zehn Jahre nach Kriegsende und 17 Jahre nach dem „Anschluss“ erhielt Österreich seine Souveränität zurück. Damit wurde aber auch der Mythos des „ersten Opfers der Nationalsozialisten“ besiegelt, für viele Österreicher ein Anlass, die Teilverantwortung für die Judenverfolgung von sich zu weisen.

  29. 1970er

    Erstellung des „Hodik-Inventars“.

    Avshalom Hodik erstellte in den 1970er Jahren ein Findmittel der den Central Archives in Jerusalem (vormals General Archives) leihweise übergebenen Archivalien der Wiener Jüdischen Gemeinde sowie 1979 einen Abschlussbericht zum Archiv der IKG Wien. Dieses Findmittel umfasst 432 Seiten.

  30. Auffindung des Archivs im Keller des Stadttempels.

    1986 entdeckte der damalige Sicherheitsbeauftragte Ernst Meir Stern im Zuge von Renovierungsarbeiten im Keller unterhalb der Synagoge in der Seitenstettengasse „verschollenes“ Archivmaterial. Es wurde wegen der Umbauten außer Haus gebracht. Danach geriet es jedoch wieder in Vergessenheit.

  31. Wiederauffindung des Wiener Archivs in der Herklotzgasse.

    Auf Initiative des damaligen Präsidenten der IKG, Ariel Muzicant, und der Exekutivdirektorin des Präsidiums, Erika Jakubovits, wurde ab 1998 nach verbliebenen Archivalien gesucht. Im Jahr 2000 wurden umfassende Bestände (800 Kartons) in einem Haus der IKG in der Herklotzgasse in 1150 Wien gefunden.

  32. Gründung der Abteilung Archiv in der IKG Wien.

    Mehr als 70 Jahre nach der Auflösung durch die Nationalsozialisten wurde im Jänner 2009 das Archiv als eigene Abteilung der IKG Wien wieder begründet und damit dessen Bedeutung für die Kultusgemeinde unterstrichen.

  33. Archivsanierung.

    Die Räumlichkeiten des IKG-Archivs wurden einer grundlegenden Sanierung unterzogen. Entsprechend modernen Archivstandards wurden Brandschutz, Klimaanlage und Lüftung eingerichtet. Damit ist sichergestellt, dass das gesamte historische Aktenmaterial fachgerecht gelagert ist.

  34. 22. November 2016

    200-jähriges Jubiläum Archiv der IKG Wien.

    Zum 200-jährigen Jubiläum des Archivs fand erstmals ein Tag der offenen Tür statt. Die Zugänglichkeit zum Archiv für wissenschaftliche und private Forschung ist seither möglich. Eine Festschrift sowie eine Website wurden im Zuge der Feierlichkeiten vorgestellt.